Sie waren so gut wie ausgestorben, nun breiten sie sich sogar abseits der Wälder aus: Wildkatzen. Naturschützer haben erstmals Spuren der kleinen Tiger vor den Toren Hamburgs entdeckt. Was das über den Zustand unserer Wälder verrät, erklärt eine Expertin des BUND.
Meist streifen sie in einsamen Wäldern umher und lauern auf ihre Lieblingsspeise Maus: Wildkatzen. Die Einzelgänger sind in Niedersachsen bisher im Harz und Solling zu Hause gewesen. Doch neue Spuren zeigen: Die Wildkatze dringt immer weiter Richtung Norden vor. Naturschützerinnen und Naturschützer entdeckten Ende 2020 erstmals Spuren einer männlichen Wildkatze vor den Toren Hamburgs.
In der Nordheide im Landkreis Harburg sicherten die Forscher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) an extra aufgestellten Lockstöcken Haarproben einer Wildkatze. «Das ist der nördlichste Nachweis einer Wildkatze in Deutschland», sagt Andrea Krug, Wildkatzenexpertin beim BUND Niedersachsen. Die Untersuchungen legten den Schluss nahe, dass sich die Wildkatzen Stück für Stück ihren Lebensraum nördlich der Wälder in den Landkreisen Gifhorn und Braunschweig zurückerobern, so die Expertin.
Dabei war die Wildkatze in Deutschland fast ausgestorben. Die einst in fast allen Wäldern des Landes heimische Mäusejägerin steht seit Jahren auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Einzig im Harz und im Solling hatte eine Restpopulation überlebt, wie Krug sagt. «Von dort kommen sie jetzt». Mittlerweile erhole sich der Bestand deutlich. So deutlich, dass es im Solling zu voll wurde. «Die Nachkommen hatten keinen Platz mehr und mussten sich andere Reviere suchen», sagte Krug.
Die Wildkatzen ziehen Richtung Norden, in die Lüneburger Heide. «Das ist ein gutes Zeichen. Das bedeutet, dass es der Population gut geht», sagt die Expertin. Die Heide sei potenziell ein guter Lebensraum, der viel Platz biete und von wenigen Straßen durchschnitten sei.
Uwe Mestemacher von den Landesforsten Niedersachsen erwartet, dass die Wildkatze bald in der ganzen Lüneburger Heide zu finden sein wird. Der Weg dorthin aber endet oft tödlich. Der Straßenverkehr sei eine der größten Gefahren für die Katze, sagt Krug. Das Problem: Unsere Wälder hängen nicht mehr zusammen. Um in den nächsten
Wald zu kommen, muss die Wildkatze zu oft Straßen überqueren. «Viele Wildkatzen werden überfahren», sagt Krug.
«Es werden wahrscheinlich mehr Wildkatzen überfahren als bekannt», sagt die Expertin. Oft werden überfahrene Wildkatzen für Hauskatzen gehalten, denn: Laien könnten die eine kaum von der anderen unterscheiden. Dabei habe die Wildkatze immer dieselben Merkmale: die Schwanzspitze schwarz, zwei bis drei dunkle Ringe am Schwanzfell, keine Musterung, sondern verwaschenes Fell und ihr dunkler Strich auf dem Rücken reiche nur bis zur Schwanzwurzel – nicht wie bei vielen Hauskatzen bis zur Schwanzspitze.
Ob die Wildkatze durch ihren Vorstoß in die Heide nun nicht mehr gefährdet sei? «Nein», sagt Krug. «Es ist schon ein gutes Zeichen, dass man sie jetzt immer häufiger in der Lüneburger Heide findet. Aber es gibt zu viele andere Faktoren, die sie immer noch gefährdet – zum Beispiel der Verkehr.»